Verletzter Meniskus – Fragwürdige Sicherheit Meniskus-Tests

By Katrin Glunk

Oktober 2, 2013


Ärzte unterliegen bei der Durchführung von Meniskus-Tests drei grundsätzlichen Irrtümern. Deshalb objektivieren sie ihre Verdachtsdiagnose mit unterschiedlichen Untersuchungsmethoden. Dem Arzt stehen neben der äußerlichen Begutachtung und dem Abtasten des Kniegelenkes zahlreiche Testverfahren (Meniskus-Tests) zur Verfügung. Alle Tests provozieren den typischen Schmerz einer Meniskusverletzung oder lösen ein Schnappphänomen im Knie aus, das den verletzten Meniskus kennzeichnet. Jeder Meniskus-Test unterliegt einer Fehlerquote, eine absolute Sicherheit gibt es nicht.

Beispiel für eine Verdachtsdiagnose – Meniskusriss

Eine 45jährige Frau verdreht sich beim Umzug ihrer Wohnung das Knie. Ein kurzer stechender Schmerz lässt sie aufzucken, das Knie schwillt an diesem Abend an und schmerzt. Die Besserung der Symptome tritt nach wenigen Tagen ein. Im Alltag hat die Frau nur noch wenig Probleme im Knie. Der ganze Umzugsstress und die schnell verschwindenden Symptome verhinderten einen zeitnahen Arztbesuch. Einige Wochen später unternimmt die Frau eine längere anstrengende Bergtour. Hier bekommt sie stechende Schmerzen in der Kniekehle, die sie fortan in Belastungssituationen plagen.

Daraufhin sucht sie ihren Arzt auf. Der Vorfall beim Umzug bleibt unerwähnt, da die Schmerzen nach der Bergtour auftraten. Der Arzt befragt die Frau, bezüglich Ursache und untersucht das Kniegelenk. Er prüft den Meniskus und das Kreuzband mit einem Testverfahren und stellt fest: Keine erkennbare Schwellung, kein traumatisches Ereignis oder Unfall, Kreuzbänder stabil, kein Meniskuszeichen. Der Arzt geht davon aus, dass die Frau ihr Kniegelenk bei der Wanderung überlastet hat und empfiehlt ihr das Gelenk zu schonen sowie die Beinmuskulatur zu stärken. Tatsächlich hilft die Schonung des Kniegelenkes, doch bei jeder neuen Belastung kommen die Schmerzen im Knie zurück.

Eine mögliche Erklärung hierfür liegt in den systematischen Fehlerquellen der Meniskus-Funktionstests. Der Arzt und die Patientin wurden „Opfer“ häufiger Irrtümer bezüglich medizinischer Testverfahren.

Kein 100% sicheren Meniskus-Tests für das Kniegelenk

Alle medizinischen Funktionstests (auch Tests für Kreuzbandschäden) unterliegen grundsätzlich Fehlerquellen. Deshalb dürfen sich weder Ärzte noch Patienten zu Aussagen hinreißen lassen, die ausschließlich auf einen der folgenden Annahmen beruhen:

Gängige Glaubenssätze bei Verdacht auf Knieverletzungen

  • Der Meniskus-Test ist positiv, d.h. ich habe eine Verletzung am Meniskus.
  • Der Meniskus-Test ist unauffällig, dann habe ich keine Knieverletzung am Meniskus
  • Habe ich eine Verletzung am Meniskus, findet das ein einzelner Test heraus.

Gründe für die beschränkte Aussagekraft einzelner Meniskus-Tests

Der Grund liegt in den systematischen Fehlerquellen aller Testverfahren für die Diagnose von Knieverletzungen. Alle Meniskus-Tests sind mindestens zwei „Mängeln“ unterworfen:

  1. Das betroffene Knie ist verletzt, aber der Meniskus-Test hat es fälschlicherweise als gesund eingestuft („Falsch-negativ“ – Sensitivität des Tests).
  2. Das betroffene Knie ist gesund, aber der Meniskus-Test hat es fälschlicherweise als verletzt eingestuft („Falsch-positiv“  – Spezifität des Tests).

„Falsch negativ“ bedeutet Patienten werden übersehen

Empfindlichkeit des Tests oder Trefferquote. Dieser Prozentsatz wird als Testsensitivität angegeben und drückt aus, bei wie viel Prozent der Erkrankten mit diesem Test eine bestimmte Erkrankung erkannt werden kann.

„Falsch positiv“ bedeutet Gesunde werden zu Patienten gemacht

Gemeint ist die Richtigkeit der Anzeige des Tests oder die Ausfallrate. Der Prozentsatz der Spezifität gibt an, wenn ein tatsächlich Gesunder zu Unrecht als krank diagnostiziert wird. Es wird die Wahrscheinlichkeit für einen Fehlalarm angegeben.

Gegenseitige Beeinflussungen der Testgütekriterien

Es ist in der Praxis nicht möglich, die zwei Kriterien der Sensitivität und Spezifizität unabhängig voneinander zu optimieren, da beide Werte negativ miteinander korrelieren. Zur Veranschaulichung dieser Zusammenhänge ist es hilfreich, die Extremfälle am Beispiel einer Meniskusverletzung zu betrachten:

Wenn ein einzelner Meniskus Test fast alle Patienten als verletzt klassifiziert, ist die Sensitivität maximal, denn es werden alle Verletzten auch als solche erkannt. Allerdings wird damit auch die „Falsch-Positiv-Rate“ maximal, da nahezu alle Gesunden als verletzt eingestuft werden. Die Test Spezifität ist also zu gering.

Wird hingegen fast niemand als krank eingestuft, ist umgekehrt die Spezifität maximal, allerdings die Sensitivität gering. In der medizinischen Praxis werden deshalb ethisch vertretbare Kombinationen aus beiden Faktoren gewählt. Der „Preis“ dieses Kompromisses sind die beiden Fehlerquellen.

Meniskus Symptome im Lichte der Testgütekriterien

Verdacht Meniskusverletzung - Meniskus-Tests
Verdacht Meniskusverletzung – Meniskus-Tests | Foto: knie-marathon.de

Eine Metaanalyse [1] ergab folgende Testqualitäten für die gängigen Meniskus-Tests: Der Thessaly-Test (Sensitivität 91 %, Spezifität 97 %. Er ist allerdings nur an einer Studie validiert und diese hat nur eine Fallzahl von 213 Personen. Eine eingeschränkte Aussagefähigkeit zeigten der Mc Murray-Test mit einer Sensitivität 51 % und Spezifität 78 %. Der „Druckschmerz im Gelenkspalt“ erreichte eine von Sensitivität 64 %, Spezifität 61 %. Der Apley-Grinding-Test (Sensitivität 38 %, Spezifität 84 %) und der Ege-Test eine Sensitivität 66 %, Spezifität 86 % [2]. Die Evidenz für den Steinman-Test, den Bragard-Test sowie für die Meniskuszeichen nach Böhler oder Payr konnte in dieser Metanalyse nicht geprüft werden. Angaben zu Meniskus-Steinman-Zeichen fehlen. Diese Videos zeigen die Durchführung des Thesslay– und Ege-Meniskusriss-Tests.

Fazit für den Patienten bei einem Verdacht auf Meniskusschaden

Bei Verdacht auf Meniskusriss liefert die klinische Untersuchung wichtige Hinweise – aber nur, wenn mehrere Meniskus-Tests miteinander kombiniert werden. Die Kombination aus verschiedenen Testverfahren erhöht die die Treffsicherheit drastisch. Ein einzelner Test als „Beweis“ oder „Gegenbeweis“ reicht nicht aus. Deshalb die Empfehlung (gilt auch bei einem Verdacht auf einen Kreuzbandriss mit seinen Testverfahren):

  • Unterschiedliche Arten von Meniskus-Test durchführen lassen.
  • Meniskus-Tests mehrmals durchführen (zu unterschiedlichen Zeitpunkten).
  • Gegenseite als Vergleich oder Referenzwert heranziehen.
  • Geübte, erfahrene Untersucher bevorzugen.
  • Zweite Meinung einholen bevor operative Verfahren eingesetzt werden.
  • Alle möglichen Ursachen für die Meniskus Symptome darlegen, auch länger zurückliegende.
  • Bei Unklarheit und länger bestehender Symptomatik auf MRT Aufnahmen „bestehen“.

Quelle:
[1] Dr. B. Ockert, F. Haasters, H. Polzer, S. Grote, M.A. Kessler, W. Mutschler, K.-G. Kanz  Quelle: Springer Medizin Verlag (2009) DOI: 10.1007/s00113-009-1702-2.
Quelle: [2] Akseki, D., Ozcan, O., Boya, H., Pinar, H.: A new weight-bearing meniscal test and a comparison with McMurray’s test and joint line tenderness. Arthroscopy 20 (2004) 951–958.

Über die Autorin

Dipl. Psychologin Katrin Glunk | Personal Coach, Fitness- und Reha-Trainerin.

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