Allograft Kreuzband – Rettung beim erneuten Kreuzbandriss

By Katrin Glunk

September 29, 2013


Ein Allograft Kreuzband ist eine letzte Möglichkeit, wenn Patienten sich das Kreuzband mehrfach reißen. Spätestens nach dem dritten Kreuzbandriss fehlen geeignete körpereigene Sehnen für die neue Kreuzbandplastik. Dann retten gespendete Kreuzbandersatz-Sehnen die Kniestabilität.

Studien zeigen, dass konstruierte Kreuzbänder aus gespendeten Sehnen (Allograft) nicht so reißfest sind, wie Kreuzbandplastiken aus eigenen Sehnen (Autograft). Die Qualität dieser Allograft Kreuzbänder ist ausreichend für alle Patienten, die ihr Sportverhalten an ihre Knieverhältnisse anpasst, haben. Die Kreuzbandrevision mit einem Allograft Kreuzband ist für alle eine Alternative, die keine High-Impact-Sportarten (Fußball, Handball, Basketball etc.) mehr betreiben möchten.

Kreuzbänder von Toten nach erneutem Kreuzbandriss

Ein Allograft ist kein Kreuzband von einem Toten. Es ist eine gespendete Sehe von einem verstorbenen Menschen, das als Kreuzbandersatz verwendet wird. Die Spendersehnen kommen erst nach dem zweiten oder dritten Kreuzbandriss zum Einsatz.

Die gespendeten Sehnen (Patella- oder Achillessehnen) werden, wie bei der ersten Kreuzbandplastik, operativ als Bandersatz in das verletzte Knie eingebaut. Dort unterliegen sie den gleichen Umbauprozessen wie körpereigenes Sehnenmaterial. Auch die gespendete Sehne baut sich im Laufe der Zeit zum Kreuzband um.

Der Einsatz von Allograft-Sehen für den ersten Kreuzbandriss ist in den USA eine gängige Methode. In Deutschland gibt es eine abweichende gesetzliche Regelung. Das von fremden Menschen stammende Spendermaterial kommt fast nur in der Revisionschirurgie (Reruptur) zur Anwendung.

Wer keine Wahl mehr hat, nimmt ein Kreuzband Allograft

Allograft Kreuzband - wieder Kreuzbandriss
Allograft Kreuzband – Wieder ein Kreuzbandriss | Foto: knie-marathon.de

Doch das Kniegelenk ist wieder instabil. Spendersehnen für Kreuzbänder nach mehreren Kreuzbandrissen die einzige Rettung, da körpereigene Sehnen (autologe Sehnen) nicht mehr zur Verfügung stehen. Das Ersatzteillager ist leer, eigene geeignete Sehnen sind in den voraus gegangenen Kreuzbandoperation verbraucht.

Erster Kreuzbandriss

Beim ersten Kreuzbandriss werden die körpereigenen Sehnen des verletzten Beins genutzt. Der „golden-Standard“ in der heutigen Medizin ist die Verwendung der Semitendinosus- und Grazilissehnen (=Hamstring-Sehnen). Manchmal sprechen Gründe dafür, die Patellarsehne (Kniescheibensehne) als ersten Kreuzbandersatz zu verwenden. Die letzte Option stellt die Verwendung der Quadrizepssehne als Kreuzbandplastik dar. Diese Sehnenentnahme ist aufwendig und mit einer höheren Komplikationsrate verbunden.

Zweites Mal Kreuzband angerissen oder elongiert (verlängert)

Nach einer Kreuzband Re-Ruptur, also dem zweiten Kreuzbandriss im gleichen Bein, werden die geeigneten Sehnen des gesunden Beins verwendet. Diese Kreuzbandrevision ist besonders dramatisch, da der Patient nach der Kreuzband OP mit zwei operierten Beinen aufwacht. Wer das nicht möchte, greift auf die verbleibenden Sehnen im verletzen Bein zurück. Evtl. besteht auch die Möglichkeit, ein Healing Response am vorderen Kreuzband durchzuführen.

Dritter Kreuzbandriss und weitere

Die Auswahl geeigneter Sehen sinkt beim dritten Kreuzbandriss gewaltig. In diesem Fall wird dann auf Spendersehen zurückgegriffen. Die gespendeten Patellar- oder Achillessehnen werden operativ, wie körpereigene Sehnen eingesetzt.

Pro und Contra Allograft Kreuzband

Die Verwendung von Allograft-Sehnen bei einer Kreuzband Re-Ruptur hat einige Vorteile, aber auch Nachteile.

Pro Allograft für ein neues Kreuzband

Die Operationszeit verkürzt sich, da die Entnahme der Sehnen für die Kreuzbandplastik entfällt. Auch wird das Knie weniger traumatisiert und die Schmerzen nach der Kreuzbandriss OP sind geringer. Zudem entstehen keine zusätzlichen Probleme und Komplikationen an der Entnahmestelle, z. B. im gesunden Bein.

Allograft-Sehnen eignen sich auch bei Mehrfachverletzungen im Kniegelenk. Aus einem Achillessehnenallograft kann z. B. ein Transplantat für die vordere Kreuzband Plastik und ein Zweites für das innere Seitenband oder das hintere Kreuzband präpariert werden.

Sind die eigenen Bohrkanäle stark geweitet, eignet sich z. B. das Patellarsehnenallograft, da dies mit zwei Knochenblöcken geliefert wird. Damit kann der Operateur die großen Bohrkanäle verschließen, ohne eine Beckenkam-Spongioplastik durchführen zu müssen.

Contra Allograft Kreuzband

Früher waren Allograft-Sehnen von eher schlechter Qualität und die Transplantation mit höheren Risiken verbunden als heute. Dennoch beeinflusst der Prozess der Präparation die Qualität der Spendersehne. Das “Freeze-drying” (Gefriertrocknen) und die Sterilisation der Spendersehen töten die „lebenden“ Zellen und beeinflusst die Stärke des Transplantates. Zudem ist die Wartezeit auf Allograft-Sehnen in Deutschland sehr lange und mit höheren Kosten verbunden.

Grundsätzlich sollte immer geprüft werden, ob nicht eine Rettung des Kreuzbandes mittels einer Healing Response-Technik möglich ist.

Potenzielle Risiken bei Kreuzbändern aus Allograft-Sehnen

Die Verwendung von Allograft-Sehnen ist für den Patienten nicht völlig risikofrei. Die Übertragung von Krankheiten wie HIV und Hepatitis sind nicht vollständig auszuschließen, obwohl die Transplantate getestet werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine HIV Infektion beträgt bei einem Allograft Kreuzband etwa 1:1,6 Mio.

Das Risiko für eine andere OP Komplikation unabhängig von der Verwendung eines Allograft ist höher. Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Infektionsrate zwischen Kreuzband Allograft und Autografts nicht unterscheidet.

Immunreaktionen auf das Kreuzband Transplantat

Unverträglichkeitsreaktionen sind bekannt, scheinen jedoch keine klinische Relevanz zu besitzen. Einzelne Fallberichte schließen eine Transplantatauflösung aufgrund allergischer Reaktionen nicht aus [1]. Eindeutige Beweise für derartige Prozesse bestehen jedoch nicht. Medikamente zur Unterdrückung einer Immunreaktion sind nicht notwendig.

Kreuzbandriss Reha nach der Allograft OP

Das Einheilungsverhalten gespendeter Sehnen ist vergleichbar mit dem von eigenen Sehnen, aber insgesamt etwas verzögerter. Die Kreuzbandriss-Reha sollte daher noch vorsichtiger angegangen werden. Die Fortführung von High-Impact-Sportarten, wie Fußball, Basketball, Handball ist nach einer Allograft Kreuzbandplastik in Frage zu stellen. Das eigene „Ersatzteillager“ ist leer, die Reißfestigkeit des Allograft-Kreuzbandes reduziert und die Wartezeiten auf Spenden für den Normalbürger lang. Schneller geht es mit dem Allograft Kreuzband in den USA.

Vielleicht funktioniert aber auch ein Healing Response am angerissenen oder elongierten Kreuzband. Mehr dazu im Artikel „Kreuzbandplastik vs. Healing Response.“

Quelle:
[1] Karrer S, Ascher G, Landthaler M, Szeimies RM (2006) Mysterious disappearance of an allogenic anterior cruciate ligament graft – a case of allergy against altered collagen. Allergy 61:1148–1149 [PubMed] [CrossRef].

Über die Autorin

Dipl. Psychologin Katrin Glunk | Personal Coach, Fitness- und Reha-Trainerin.

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