20 dringende Fragen an mein Knie und mich

By Katrin Glunk

März 1, 2020


Wie geht es deinem Knie heute? Würdest du dein Knie noch mal operieren lassen? Was für Sport treibst du heute? Was bereust du heute am meisten? Das sind einige Fragen, die mir oft gestellt werden. Erfahre in diesem Beitrag mehr über meine Denkweise nach mehreren Jahren und meinen unkonventionellen Umgang mit einem schwer erkrankten Kniegelenk.

Von 2008 bis heute

Meine letzte Knieoperation fand im Frühjahr 2014 satt. Diese vordere Kreuzbandriss-OP war der vierte und letzte Versuch, eine stabile Kniesituation herzustellen. Zuvor hatte ich weitere 13 Operationen am Kniegelenk, u.a. auch eine Meniskustransplantation. Der Spendermeniskus wurde im August 2010 operiert. Auslöser für die ganze Misere war ein Sturz beim Inlineskaten im Jahr 2008.

Was ist in den letzten 5 Jahren geschehen?

Das letzte Mal, dass ich eine orthopädische oder sportmedizinische Praxis besucht habe, war Anfang des Jahres 2015. Dieser finale Besuch fand statt, da bei meiner letzten vorderen Kreuzband-OP völlig überraschend eine stark verminderte Knochendichte im rechten Kniegelenk festgestellt wurde. Diese schwere Komplikation machte eine übliche Verankerung der vorderen Kreuzbandplastik nahezu unmöglich.

Die Kontrolluntersuchung der Knochendichtemessung nach einem Jahr in der Computertomografie (CT) ergab folgendes Ergebnis: Der Knochen ist weiterhin stark abgebaut, teilweise ist kein Knochen mehr im Ober- und Unterschenkel vorhanden. Der Knochen wird nur noch durch die äußere feste Wand (lat. Corticalis) mit Knochenhaut stabilisiert.

Was war geschehen?

Mediziner nennen diesen Zustand eine starke Osteoporose (Knochenschwund). An einigen Stellen ist auch kein Knochengewebe, (Knochennekrose) mehr zu sehen. Die abgestorbenen Knochenteile weichen den Knochen auf und machen ihn brüchig. Hingegen ist die Knochenhaut bei mir stabil und hält mein poröses Knochengewebe im Kniebereich noch zusammen.

Damals fragte mich der Radiologe scherzhaft, ob ich die letzten Jahre im Weltall verbracht hätte. Mir war nach dieser erschütternden Diagnose nicht zum Lachen, sondern zum Heulen zumute.

Ich realisierte zu diesem Zeitpunkt, dass ich vonseiten der Medizin keine Unterstützung mehr erwarten kann. Und sich schnell etwas in meinem Denken ändern muss. Dieser innerliche Absturz war der Beginn einer neuen Knie-Ära, deren Behandlung nur noch in meinem Kopf stattfand. Doch zunächst ließ mich die Frage: Was war geschehen, nicht los!

Weshalb ist mein Knochen im operierten Knie verschwunden?

Dazu habe ich bis heute keine mir schlüssige Erklärung erhalten. Die haarsträubenden Theorien, die ich gehört habe, erspare ich dir an dieser Stelle. Ich persönlich gehe von einem Knocheninfarkt aus. Das bedeutet, dass durch die vielen Operationen wichtige Gefäße geschädigt wurden, die der Ernährung des Knochens dienen. Ohne Nahrung stirbt der Knochen ab. Eine bakterielle Ursache schließe ich aus, da Laborproben nicht drauf hindeuten.

Was sind meine Aussichten aus medizinischer Sicht?

Von einer Spontanheilung der Knochennekrose bis hin zur Arthrose des Kniegelenks mit nachfolgender Kniegelenksprothese (TEP) steht mir die Zukunft offen.

Welche Konsequenz habe ich für mich daraus gezogen?

Vorläufiges Ende meiner Knie-Geschichte aus medizinischer Sicht. D. h., keine weiteren Operationen, Ärzte, Therapeuten oder sonstigen Helfer mehr in meinem Leben. Mein Kniegelenk bleibt, wie es ist und wird weiterhin pfleglich von mir behandelt. Sollte eine drastische Verschlechterung eintreten, wird die Situation neu bewertet. Die Heilung findet ab sofort im Denken und meiner Einstellung statt.

Weshalb diese radikale Entscheidung nach 14 Operationen?

Weil der Mensch aus Körper und Geist besteht. Körperlich habe ich alles mir Mögliche getan und für mich ein stimmiges Ergebnis erzielt. Der Rest ist meine Psyche und genau dort wollte ich ansetzen.

Mein größtes Problem war zu diesem Zeitpunkt ein „Streich“ meiner Wahrnehmung. Ich habe die schrecklichen CT-Bilder meines „durchlöcherten“ Kniegelenks nicht mehr aus meinem Gedächtnis bekommen und zugleich keinerlei Auswirkungen im Alltag gespürt. Folglich musste ich das Problem im Kopf lösen – nicht im Knie.

Der erste Entschluss war, dieses gravierende Defizit an einem anderen Maßstab zu messen, um innerlich Abstand zu gewinnen. Ab jetzt zählten keine Diagnosen mehr, sondern nur noch die Funktionalität meines ramponierten Kniegelenks.

Mein Denken veränderte sich fortan drastisch: Heute fokussiere ich mich überhaupt nicht mehr auf die Defizite in meinem Kniegelenk, sondern akzeptiere das Leben mit verhältnismäßig kleinen Einschränkungen. Manchmal denke ich sogar, dass ich unwahrscheinliches Glück gehabt habe.

Ein Sportmediziner sagte mal zu mir: „Ich habe schon viel schlimmere Kniegelenke nach einer oder zwei Operationen gesehen als ihres nach 14 Operationen!“ Heute verstehe ich diese Aussage und behaupte von mir, dass ich ein Top-Kniegelenk habe.

Hört sich alles sehr paradox für dich an?

Heute gehe ich auf einem stark angegriffenen Kniegelenk zufrieden durch die Welt. Mein Gang ist flüssig und schmerzfrei. Ich habe die volle Beweglichkeit in meinem operierten Kniegelenk. Mein Knie stört mich im Alltag weder praktisch noch behindert es mich im Denken. Das rechte Kniegelenk ist nicht stabil, was mir bergab mehr Schwierigkeiten bereitet aber durch viel Muskulatur teilweise kompensiert wird.

Was sich im inneren von meinem desolaten Kniegelenk abspielt, interessiert mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr. Das bringt mir die nötige Zufriedenheit und Gelassenheit. Natürlich kann es sein, dass ich in 10 Jahren auf diesem Blog über meine erste Knieprothese berichte, aber vielleicht auch nicht.

Jedenfalls möchte ich meine verbleibende Lebenszeit nicht mit der Angst vor Kniegelenksarthrose oder ähnlichem verbringen. Deshalb sind Arztbesuche für mich tabu und reine Zeitverschwendung. Sollte die Forschung eines Tages die Ursache für Arthrose herausgefunden haben und auch eine adäquate Behandlung anbieten, überdenke ich selbstverständlich meine Entscheidung.

Würdest du die Knie-OP wieder machen?

So ähnlich, wird mir die Frage oft gestellt. Wer mich gut kennt weiß, dass ich kein Freund von „schwarz oder weiß“ bin. In der Regel bekommst du keine eindeutige Antwort von mir. Weshalb? Weil ich in aller Regel nur deine Diagnose kenne und dich vor Denkfehlern schützen möchte.

Lass uns gemeinsam reflektieren, welche Intension hinter dieser Frage stecken könnte: Du suchst die über mich die Bestätigung deiner schon „unbewusst“ getroffenen Entscheidung?

Und meine ehrliche Antwort darauf wäre: „Es spielt keine Rolle, wie du dich entscheidest, weil du niemals objektiv herausfinden kannst, ob sie richtig oder falsch ist.“

Würde ich tatsächlich so antworten, wärst du ohne weitere Erklärung verständlicherweise sauer oder würdest denken, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe.

Was heißt eine Entscheidung für eine Knie-OP, ist weder richtig noch falsch?

Damit meine ich, dass du im Nachhinein nicht beurteilen kannst, ob eine getroffene Entscheidung korrekt war, weil du den Ausgang der Alternative nicht mehr überprüfen kannst. Zudem kannst du auch das Experiment mit der Alternative unter den gleichen Voraussetzungen nicht wiederholen.

Deshalb beurteilen wir Menschen die Richtigkeit einer Entscheidung am Erfolg. Doch genau genommen ist dies der unpassende Ankerpunkt.

Was meine ich damit?

Ich gebe dir ein Beispiel: Angenommen du und dein Partner fahren in den Urlaub und ihr habt die Wahl zwischen Spanien und Indien. Ihr entscheidet euch für Spanien. Der Urlaub beginnt und es regnet 14 Tage lang. Du sagst zu deinem Partner: „Wären wir bloß nach Indien geflogen, dann würden wir jetzt in der Sonne am Strand liegen.“

Doch was wäre, wenn du in Indien an einer üblen Darmerkrankung erkrankt und 14 Tage in einem schmuddeligen Hotelzimmer gelegen wärst. Unter diesem Blickwinkel erscheint plötzlich der verregnete Spanienurlaub wieder als die „richtige“ Entscheidung.

Übertragen wir dieses Beispiel auf die Frage: Knie-OP Ja oder Nein?

Eine scheinbar „erfolgreiche“ Meniskus- oder vordere Kreuzband-OP gibt natürlich Anlass zur Freude. Jeder sagt: „Die Operation hat sich gelohnt!“ Doch hat sie das wirklich? Schließlich weißt du nicht, ob dein Knie ohne OP genauso gut oder vielleicht noch besser geworden wäre?!

Die Genetik hat uns so programmiert, dass wir uns nicht über die vermeidlich richtigen Entscheidungen Gedanken machen. Das ist wahrscheinlich gut so!

Aber im ungünstigen Fall, verfallen wir in düstere Gedanken, Grübeleien und manche erkranken sogar ernsthaft an ihren Schuldgefühlen.

Weil sie tatsächlich denken, dass sie die falsche Entscheidung getroffen haben und sich selbst nicht verzeihen könnten. Vergessen dabei, dass die verworfene Variante noch ungünstiger hätte, ausfallen können.

Was kannst du daraus für deine Entscheidung ableiten?

Ich möchte mit meinen Gedanken zum Ausdruck bringen, dass ich keine einzige meiner Operationen bereue, obwohl viele davon nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben.

Der springende Punkt ist, dass mein Bewertungsmaßstab ein völlig anderer ist als deiner. Deshalb kann ich diese Frage nicht guten Gewissens beantworten.

Ich habe durch die vielen Operationen am Knie und deren Folgen einen persönlichen und auch beruflichen Wachstumsprozess vollzogen. Dieser rechtfertigt für mich jede einzelne Knieoperation, obwohl das Ergebnis im Kniegelenk zunächst für Außenstehende nur mittelmäßig erscheinen mag. Damit spielt der Bezugspunkt eine wesentliche Rolle, der bei dieser Frage in aller Regel unberücksichtigt bleibt.

Wie hat mein mentaler Veränderungsprozess begonnen?

Ich habe meine Wahrnehmung verändert. Meine Aufmerksamkeit auf das fokussiert, was in den letzten Jahren nicht eingetroffen ist:

Ich hatte nie eine Infektion im Kniegelenk. Bei der Arthrofibrose hatte ich das große Glück, nicht an der generalisierten Form erkrankt zu sein. Durch mein eigenes Reha-Programm war ich ohne gravierende Komplikationen immer wieder schnell auf den Beinen usw.

Merke ich mein operiertes Kniegelenk im Alltag?

Ja, ich merke den Unterschied der Beine bei jedem Schritt. Das ist zur Normalität für mich geworden. Darauf achte ich nicht mehr. So wie du deine Nase im Blickfeld nur siehst, wenn du dich darauf konzentrierst.

Was tue ich für mein Knie?

Ich trainiere die Muskulatur und Koordination regelmäßig. D. h. mindestens dreimal die Woche gehe ich in das Fitnessstudio und mache Kraftübungen. Mich bewegen würde ich aber auch ohne Knieprobleme tun, weil Sport für mich mein Ausgleich darstellt.

Was für Sport treibe ich regelmäßig?

Kraft- und Fitnesstraining, Wandern, Schneeschuhwandern, Radfahren, im Sommer auch Schwimmen. Also, insgesamt sehr knieschonende Sportarten.

Hält deine Kreuzbandplastik noch?

Ich gehe davon aus, dass die vordere Kreuzbandplastik noch vorhanden ist, aber ihre Funktion als Kniestabilisator nur sehr leidlich erfüllt. Mein Knie wird durch meine Muskulatur gehalten und das nicht zu 100 %.

Was macht dein Spendermeniskus?

Auch hier gehe ich davon aus, dass dieser nach 10 Jahren noch vorhanden ist, weil es sich so anfühlt.

Fazit (Stand März 2020)

Das war eine kurze Zusammenfassung einiger Fragen, die mir oft von meinen Lesern gestellt werden.

Mir ist bewusst, dass du dir vielleicht bei der einen oder anderen Frage eine eindeutige Antwort von mir gewünscht hättest. Doch Gesundheit und innere Zufriedenheit sind so vielschichtig, dass klare Ratschläge für mich fehl am Platz sind. Sorry dafür!

Abschließend möchte ich noch eine „kleine“ Warnung aussprechen, egal, wer oder was im Internet zu Operationen, Medikamenten oder sonstigen Hilfsmittel rät, die garantiert helfen. Hinterfrage bitte immer deren Motivation. Achte darauf, wer publiziert (steht im Impressum) und was wird dieser Artikel aufgrund seines Auftraggebers wohl nicht schreiben.

Über die Autorin

Dipl. Psychologin Katrin Glunk | Personal Coach, Fitness- und Reha-Trainerin.

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